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Wenn Beförderungen Angst machen

Artikel von Caroline Cerar

 

Karrieresprünge sind oft nicht nur Grund für reine Freude, sondern können auch Angst auslösen. Was erst einmal kontraintuitiv klingt, ist ein bekanntes Phänomen. Die Übernahme einer neuen Funktion kann schlummernde Selbstwertthemen zur Oberfläche bringen und zu letztendlich selbst-schädigendem Verhalten führen. Oft laufen solche Mechanismen unbewusst. Der Ausweg für den Betroffenen besteht darin, sich frühzeitig mit den eigenen Ängsten ehrlich auseinanderzusetzen.

 

„Aber ich habe doch nichts Besonderes gemacht. Ich habe so wie immer gearbeitet.“ sagte Richard M.*, ein erfolgreicher Manager Anfang der Vierziger. Als Klient sass er mir gegenüber und suchte nach einer Erklärung, warum gerade er auserkoren worden war, die neu geformte Landesgesellschaft zu leiten. „Das habe ich ja gar nicht angestrebt.“ Natürlich empfand er Freude und nahm die Beförderung an, doch im selben Moment meldeten sich erste Ängste an.

 

Die Angst vor dem Erfolg

Es scheint auf den ersten Blick kontraintuitiv. Da hat man endlich die ersehnte Karrierestufe erklommen, aber statt eines Gefühls der Bestätigung machen sich nach dem ersten Freudentaumel Gefühle der Unruhe, nagenden Leere, Mutlosigkeit oder auch Angst breit. Über die Jahre hat man eine Sprosse nach der anderen auf der Karriereleiter erklommen und herausfordernde Aufgaben gestemmt und plötzlich ist der pure Gedanke an den neuen Job mit mehr als blossem Unbehagen verbunden.

 

Kets de Vries, Psychotherapeut und Managementprofessor am INSEAD, spricht von der Angst vor dem Erfolg. Es mag widersinnig erscheinen, dass gerade dann solche Ängste auftreten, wenn man auf dem Managementlevel angekommen ist, auf welches man so lange hingearbeitet hat. Die neue Position mag noch so sehr ein Erfolgsausweis sein, sie kann gleichzeitig auch Zweifel hochkommen lassen. „Wie lange hält der Erfolg noch an?“ „Wird man gerade in dieser neuen, wichtigen Position auch erfolgreich sein?“

 

Das Selbstbild im Zweifel

Sowohl das Bild, das der Manager von sich selbst hat, als auch dasjenige, das Andere aus seiner Sicht von ihm haben, wird einer Prüfung unterzogen. Eine angsteinflössende und stressvolle Situation. Derjenige, der tief im Inneren ein eher schwaches Selbstbild ausgeprägt hat, kann sich in dieser neuen Situation fast wie ein Hochstapler vorkommen, der Angst haben muss jede Minute enttarnt zu werden. In ähnlicher Weise drückte sich mein Klient aus. Seine Arbeit sei ja nichts Besonderes gewesen. Er sei ja gar kein „tougher Manager“, so wie man das eigentlich sein müsse. Im gemeinsamen Gespräch lernte Richard M. seine Leistungen und Stärken, denen er seinen Aufstieg zu verdanken hatte, im richtigen Verhältnis einzuschätzen und auch für sich selbst zu schätzen. Es brauchte einige Zeit, bis er sich wirklich von dem vermeintlichen Idealbild des toughen Managers trennen und sich zugestehen konnte, dass er in seiner eigenen Art erfolgreich war. Richard M. war ein sehr sympathischer Mann, der mit Scharfsinn und einer grossen Portion Sensibilität Teams formen und sehr erfolgreich führen konnte.

 

Aber auch Personen mit einem überzogenen Selbstbild, können in der Beförderungssituation emotional sehr gefordert sein. Sie versuchen unbewusst dieses positive Bild von sich selbst aufrecht zu erhalten. Solche Führungskräfte tendieren oft dazu überzogene Ziele zu setzen und diese mit grosser Verbissenheit zu verfolgen, auch dann noch, wenn bei einer einigermassen realistischen Betrachtung die Aussichtslosigkeit offensichtlich ist. Beziehungs- und Informationsnetzwerke ändern sich. Mitarbeiter, die die gewünschte, überzogen positive Sicht nicht teilen, werden durch Ja-Sager ausgetauscht. Mit der Zeit kommt es zu einer trügerischen Einengung und vermeintlichen Bestätigung der eigenen Meinung, die den Input von realistischen Perspektiven immer schwieriger und unwahrscheinlicher macht. Selbstüberforderung ist ein weiteres, typisches Phänomen; Selbstüberforderung bis zu dem Punkt, dass sich der/die Manager/-in so unter Druck bringt, dass etwa fundamentale Patzer gerade bei einfachen Routineaufgaben passieren („choking under pressure“) oder die Führungskraft sich im eigenen Überengagement verzettelt oder leerläuft.

 

„Darf ich denn überhaupt erfolgreich sein?“

Kets de Vries bietet aber noch eine weitere Erklärung, warum manche Führungskräfte bei Beförderungen scheinbar plötzlich zu Verlierern mutieren. ‘Beförderung‘ bedeutet, dass jemand an eine Stelle tritt und damit einen anderen verdrängt oder über einen anderen siegt. ‘Erfolg‘ bedeutet ein Hervortreten und ein Herausragen über andere. Dies ist je nach Familiengeschichte für manche Menschen mit einem tief sitzenden inneren Konflikt oder Schuldgefühlen verbunden. Ungelöste Themen von Anerkennung und Rivalität in der Ursprungsfamilie können in Beförderungssituationen aktualisiert werden. „Darf ich mehr verdienen als mein Vater?“ „Darf ich mehr erreichen als meine Geschwister?“

 

Bleiben solche tief liegenden Konflikte unbearbeitet, können sie für die Führungskraft einen weitreichenden, schädigenden Einfluss entfalten. Unbewusst kann die Führungskraft ein selbst-zerstörerisches Verhalten entwickeln und sich so Schritt für Schritt selbst demontieren. War man bei den vorangegangenen Beförderungen immer noch einer oder eine unter mehreren, so ist oft die Beförderung in die Top-Position der Auslöser. Hier gibt es dann keinen mehr, mit dem man sich geschwister-ähnlich noch auf der gleichen Stufe wähnen kann.

 

Ein ähnlich gelagertes Schuld-Thema kam auch bei meinem Klienten Richard M. zutage. Er war in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, wo soziales Engagement im Zentrum stand. Äusserer Erfolg, Geld und Status waren seinen Eltern weniger wichtig. Es zählte das Engagement für die gute Sache. Obwohl seine Eltern nie etwas Negatives über den Berufsweg ihres Sohnes erwähnt hatten, fühlte sich Richard M. doch im Stillen schuldig, die Werte und vermeintlichen Erwartungen seiner Eltern nicht zu erfüllen. Was ist schon „schnödes Geldverdienen“ gegenüber dem Engagement am anderen im christlichen Sinne?! Diesen Konflikt musste sich Richard M. erst bewusst machen. Je mehr er „Ja“ zu seinem eigenen Lebensweg sagen konnte und seine Leistungen und Stärken zu schätzen lernte, desto mehr verflüchtigte sich dieses Schuldgefühl. Er erkannte auch, dass er die Werte eines wertschätzenden Für- und Miteinander doch auch in seinem Berufsleben umsetzte – eben in einer für ihn eigenen Art und Weise.

 

Achtung vor selbst-schädigenden Mechanismen

Alle diese Beispiele zeigen: Bei emotionalem Stress nehmen Menschen unbewusst Zuflucht zu verschiedensten Bewältigungsmechanismen. Werden die diesen zugrunde liegenden Ängste und Konflikte nicht angegangen, kann sich die Führungskraft in solchen Mechanismen richtiggehend verfangen, die letztendlich auch selbst-schädigende Auswirkungen haben können. Aus Angst geht man plötzlich in ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten. Entscheidungen werden hinausgezögert und kritische Themen ausgespart, um direkten Aussprachen mit Mitarbeitern, Kollegen oder Chefs aus dem Weg zu gehen. Dies bewahrt zwar kurzfristig die Harmonie und den Seelenfrieden, langfristig ist dieses Verhalten jedoch im Sinne einer effektiven Leadership wenig förderlich.

 

Self-Handicapping wird als ein weiteres Mittel verwendet, um Versagensängste zu bewältigen. Dabei stellt man selbst die Hürden und Schwierigkeiten in den Vordergrund. Erweist sich das Unterfangen als erfolglos, hatte man es „ohnehin vorher schon gewusst“; der eigene Selbstwert bleibt damit intakt. Dass diese Selbstwertstabilisierung oft um den Preis einer self-fulfilling prophecy erkauft wird, ist dem Individuum in der Situation selbst oft nicht bewusst. Im umgekehrten Erfolgsfall geht die Rechnung voll auf. Wenn man trotz aller negativen Vorankündigungen erfolgreich ist, erscheint der Erfolg umso grösser. Dem Ego tut dies gut. Missbrauch von Alkohol und anderen Stimulanzien sind weitere Versuche des Eskapismus mit kurzfristiger Erleichterung jedoch langfristigen „Kosten“.

 

Es gibt einen Ausweg

Dass Befürchtungen und Selbstzweifel nach einem Karrieresprung plötzlich (wieder) auftauchen, ist nichts Ungewöhnliches. Hier melden sich Themen, Ängste und Glaubenssätze, mit denen der oder die Betreffende bis jetzt gut umgehen konnte oder die einfach lange verdrängt waren. Sich diesen Ängsten zu stellen, erfordert im ersten Schritt Mut, ist langfristig aber die bessere Strategie. Es ist nämlich möglich dysfunktionale Glaubenssätze zu verändern und unpassende Selbstbilder zu korrigieren. Aus selbst-schädigenden Mechanismen kann man auch wieder aussteigen.

 

Drei einfache Tipps sollte man jedoch dafür berücksichtigen: Erstens, Ängste nicht verdrängen. Zweitens, frühzeitig etwas dagegen unternehmen, sodass sich dysfunktionales Verhalten gar nicht erst ausprägen kann. Drittens, sich nicht darauf verlassen, dass Erfahrung und Routine in dieser Situation helfen. Dabei besteht nämlich die Gefahr, dass man auf Verdrängungsmechanismen und Verhaltensroutinen aus der Vergangenheit zurückgreift, die zwar kurzfristig zu helfen scheinen, sich aber eigentlich schädlich für die eigene Person, die Karriere und die Organisation auswirken können.

Sich diesen aufkeimenden Ängsten bei einer Beförderung zu stellen kann letztlich zu einem Katalysator für einen weiteren Schritt in der eigenen Entwicklung werden. Jemand, der es geschafft hat persönliche Hindernisse für sich zu meistern, gewinnt an Persönlichkeit, Reife und Effektivität - als Person und als Führungskraft.

 

 

MMag. Caroline Cerar MSc.
Psychologische Beraterin für Führungskräfte &
Managing Director – Management Counterparts

 

www.executive-counseling.com

 

 

* Name und Personenmerkmale verändert

 

Quelle:

  • de Vries, Kets: „Leaders who Self-Destruct: The Causes and Cures”, 1989

  • Baumeister, Roy F.: “Esteem Threat, Self-Regulatory Breakdown, and Emotional Distress as Factors in Self-Defeating Behavior”, 1997

 

 

30. August 2016 / © Management Counterparts – Executive Counseling – Perveno GmbH

 

 

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