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Wenn Führungskräfte scheitern: Wie Stärken und Erfolge für Führungskräfte zum Hemmschuh werden können

Artikel von Caroline Cerar

 

Die Orientierung an Stärken ist im Management eine allgegenwärtige Zauberformel. Es gibt eine ganze Reihe von Ratgebern und Seminaren, die sich mit stärkenorientierter Führung beschäftigen. Wie jedes Ding zwei Seiten hat, kommt eine Stärke nicht ohne ihre Schattenseite daher. Ebenso können Erfolge langfristig auch negative Konsequenzen in der Führungskarriere haben. Führungskräfte können frühzeitig solch möglicherweise negativen Effekten entgegen wirken.

 

Stärkenorientierung ist ein Konzept, das uns auf Schritt und Tritt im Management begegnet, sei es auf Ebene des Unternehmens als auch als Tipp für die Steigerung der persönlichen Wirksamkeit als Führungskraft. Es gibt genügend Ratgeber zu diesem Thema und Seminare zu stärkenorientierter Führung. Doch dass Stärken ebenso eine Kehrseite haben und mit der Zeit auch negative Effekte zeitigen können, wird oft viel zu wenig beachtet. So kann es dazu kommen, dass Führungskräfte sich auf ihre altbekannten Stärken stützen, ihre altbewährten Erfolgsrezepte anwenden und damit längerfristig doch Schiffbruch erleiden.

 

Stärken kommen mit einer Kehrseite daher

 

Es gibt eine Vielzahl von Definitionen über ideale Kompetenzen und Eigenschaften von Führungskräften. Allein schon aus logischen Überlegungen leuchtet es ein, dass ein Übermass auf einem Faktor auch unerwünschte Effekte im Führungsalltag entfalten kann. So kann eine Führungskraft, die besonders imaginativ-visionär ist und sich gleichzeitig auch sehr stark für eine Sache begeistern kann, für die Mitarbeiter in einer Organisation sehr zielprägend und motivierend wirken. Diese Begeisterungsfähigkeit kann sich aber auch in emotionalen Ausbrüchen äussern, wenn die Dinge nicht so laufen, wie man sich das wünscht. Die imaginative Stärke kann auch überzogene Visionen erzeugen und sehr sprunghaftes Entscheidungsverhalten mit sich bringen. Dies wird dann langfristig die Führungsleistung untergraben.

 

In einer Studie zu den Ursachen von Misserfolgen von Managern haben Hogan und Hogan (1997, 2001) elf Persönlichkeitscharakteristika identifiziert, die sich kurzfristig als Stärken erweisen und nutzen lassen, sich jedoch längerfristig oder unter besonderen Belastungssituationen sich auch als Schwächen bemerkbar machen können.

 

„Was gestern die Formel für den Erfolg war, kann morgen das Rezept für die Niederlage sein.“ (Willy Meurer, deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist)

 

Dass das Rezept „Fokussiere auf Deine Stärken und Erfolgsformeln“ nicht immer greift, können viele langgediente Führungskräfte auch aus persönlicher Erfahrung nachvollziehen. Sie empfinden selbst vielleicht plötzlich vermehrt eigene Unsicherheiten im Führungskontext, begegnen etwa immer wieder sehr ähnlichen Problemkonstellationen oder haben trotz aller Erfahrung Mühe bei der Übernahme einer neuen Position. Manch erfolgreichen Kollegen hat man überraschenderweise scheitern sehen. Ganz plötzlich scheinen die Mechanismen, die in der Vergangenheit so gut funktioniert haben, nicht mehr ihre geplante Wirkung zu erzielen. Eine typische Reaktion ist dann eben diese Bemühungen noch mehr zu verstärken, also etwa die Ausübung von noch mehr Kontrolle oder Zieldruck. Was als Lösung gedacht war, wird dann aber zum Problem.

 

Sidney Finkelstein hat in seinem Buch „Why Smart Executives Fail. And What You can Learn from their Mistakes” eben dieses Anklammern an Erfolgsrezepte der Vergangenheit als eine von 7 Merkmalen identifiziert, die scheiternde Führungskräfte gemein haben. Dieselbe Logik gilt auch für das Scheitern ganzer Unternehmen und deren Management-Teams. Bei diesen sind wiederholt „negative Transfers“ festzustellen. Es werden Erfolgsformeln der Vergangenheit unreflektiert angewandt, auch wenn sich die Umstände bereits fundamental geändert haben oder das Rezept in der neuen Situation logischerweise eigentlich wenig Erfolg verspricht.

 

Wenn, dann scheitern erfahrene Manager zumeist an sich selbst

 

Untersuchungen zum Scheitern von Managern zeichnen ein ziemlich einheitliches Bild. Mangelnde interpersonelle Fähigkeiten, die Aufgabe per se nicht bewältigen können, die Überbetonung der eigenen Person und der Glaube alle Antworten zu haben sind ebenso darunter wie das Eliminieren von Personen aus dem Umfeld, die anderer Meinung sind. Auch dort, wo Manager sich an unlösbaren Aufgaben die Zähne ausbeissen, sind oft Persönlichkeitsmerkmale im Spiel, die stark leistungsantreibend wirken und überzogene Machbarkeitserwartungen und irrationales Durchhalten begünstigen.

 

Auch erfahrene Manager scheitern also zumeist an sich selbst, auch - oder gerade - wenn sie sich auf ihre Stärken und Erfolgsgeheimnisse verlassen. Dabei ist oft eine zugrunde liegende Tendenz festzustellen, nämlich eine Einengung der Wahrnehmung, der Bewertung und des Verhaltens. Es werden dann verstärkt nur jene Signale wahrgenommen, die den eigenen Zielen entsprechen. Andere Signale werden entweder nicht wahrgenommen, nicht weiter beachtet oder anders bewertet.

 

Natürlich ist es sinnvoll, sich seiner eigenen Stärken bewusst zu sein und diese effektiv in der Führung zu nutzen. Ebenso lernen Manager im Führungsalltag, was „funktioniert“ und was nicht und passen ihr Verhalten entsprechend an. Die eigenen Erfolgsmechanismen etablieren sich auf diese Weise automatisch. Die Gefahren der Kehrseite dieser Erfolgseigenschaften und Führungsmechanismen werden aber eben auch implizit mitgeliefert. Dies gilt für jeden Manager. Die Frage ist: Wie kann man mit den möglichen negativen Seiten seiner Stärken und Erfolgsrezepte sinnhaft umgehen und frühzeitig gegensteuern?

 

Wie Führungskräfte frühzeitig eigene Hemmschuhe aufdecken können

 

Vorbeugung und Veränderung sind möglich. Jede Führungskraft hat es in der Hand sich weiter zu entwickeln. Man kann lernen, wie man sich selbst verändert. Damit hat man den Schlüssel in der Hand mit den möglichen Kehrseiten seiner eigenen Stärken frühzeitig umgehen zu lernen. Zur Veränderung braucht es im Wesentlichen 3 Faktoren: 1. sich selbst besser kennenlernen; 2. lernen, wie man sich selbst verändern kann; 3. sein Verhaltensrepertoire erweitern und richtig steuern lernen.

 

Erweiterung der Selbst-Wahrnehmung: Sich selbst besser kennenlernen

 

„Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung“ – so alt dieser Satz ist, so wahr ist seine Aussage. Von Zeit zu Zeit tut eine Reflexion gut, um eingefahrene Muster zu erkennen und gegebenenfalls auch zu verändern. Mit einigen Checkfragen kommt man sich selbst wieder mehr auf die Schliche und erkennt die eigenen Muster und damit einhergehend auch die möglichen negativen Effekte:

 

  • Führungsverhalten: 1. Welche Stärken nutze ich in der Führung primär?; 2. Was ist die Kehrseite davon?; 3. Wann oder unter welchen Bedingungen kommt bei mir die Kehrseite meiner Stärken zum Vorschein?; 4. Welche Auswirkungen hat das?

 

  • Inneres Erleben: 1. Worauf kommt es mir in der Führung primär an?; 2. Was suche ich in der Führung tunlichst zu vermeiden? Was darf auf alle Fälle nicht passieren?; 3. Welche Auswirkungen hat das?

 

  • Umgang mit eigenen Schwächen: 1. Was sehe ich als Schwäche in der Führung bei mir an?; 2. Wie gehe ich damit um?; 3. Welche Auswirkungen hat das?

 

  • Umgang mit Konflikt: 1. Wie gehe ich mit neuen Perspektiven, Gegenmeinungen oder Konflikten in der Führung um?; 2. Welche Auswirkungen hat das?

 

  • Umgang mit Misserfolg: 1. Wie gehe ich mit eigenen Misserfolgen um?; 2. Welche Auswirkungen hat das?

 

  • Umgang mit Erfolg: 1. Wie gehe ich mit eigenen Erfolgen um?; 2. Welche Auswirkungen hat das?

 

  • Aussenwahrnehmung: 1. Worauf achte ich bei Mitarbeitern / in Bezug auf das Business besonders?; 2. Was habe ich tendenziell weniger im Fokus?; 3. Welche Auswirkungen hat das?

 

Diese Fragen fordern zu einem Wechsel und einer Erweiterung der Perspektive auf, indem sie auch einmal auf die Kehrseite eines stärkenorientierten Verhaltens abstellen oder bewusst danach fragen, was man eigentlich zu vermeiden sucht. So kann man als Führungskraft sich selbst besser kennenlernen, erweitert aber auch gleichzeitig die eigene Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung. Dies kann im Rahmen einer Selbstreflexion erfolgen oder aber auch in einem gemeinsamen, schrittweisen Diskurs mit einem psychologisch geschulten Experten.

Die gesteigerte Selbsterkenntnis führt wiederum zu einer höheren Aufmerksamkeit im Führungsalltag, sodass sich daraus ein laufender und ganz persönlicher Prozess des Beobachtens und Reflektierens ergeben kann. Zusätzlich lassen sich bereits auf Basis der ersten Erkenntnisse Massnahmen treffen, um die eigene Wahrnehmungsfähigkeit weiter zu steigern. Bspw. kann die Suche nach einem Mentor ratsam sein, der wohlwollend und vertraulich Eindrücke aus der Aussenperspektive spiegeln kann. Oder man nimmt sich ganz gezielt vor Aspekte zu beobachten, denen man normalerweise wenig Beachtung geschenkt hat, oder reorganisiert die eigene Informationsversorgung im Unternehmen bewusst neu, um der Einengung der Perspektive vorzubeugen.

 

Erweiterung der Veränderungskompetenz: Lernen, wie man sich verändern kann

 

Man kann lernen, wie man sich selbst verändert. Dabei geht es um die Erweiterung der übergeordneten Kompetenz sich selbst auf einer sehr persönlichen Ebene in seinen Wahrnehmungen, Einstellungen, Glaubenssätzen und Verhaltensweisen zu verändern. Jeder kann sicher von eigenen Erfahrungen beim Versuch der persönlichen Veränderung berichten. Anleitungen, sich eine ungewünschte Angewohnheit abzugewöhnen oder sich ein neues, wirksameres Führungsverhalten zuzulegen, gibt es zuhauf. Die Resultate lassen jedoch in den allermeisten Fällen auf lange Sicht zu wünschen übrig. Warum dies?

 

Bei einer angestrebten Veränderung befindet man sich jeweils in einem Zwiespalt von einem derzeitigen Zustand, der als veränderungsbedürftig und daher als „nicht richtig“ bewertet wird, und einem zukünftigen, gewünschten und als richtig erachteten Zustand, den man aber noch nicht erreicht hat. Ganz egal auf welchen Pol man als Veränderungswilliger hinschaut, die „Bewertung“ für die eigene Person fällt negativ aus: Im Hinblick auf den derzeitigen Zustand, der leider noch vorhanden ist, als auch im Hinblick auf den neuen Zustand, den man aber leider noch nicht erreicht hat. Dies führt oftmals zu Blockade und zur unbewussten Selbstsabotage der eigenen Veränderungsbemühungen.

 

Hinschauen lernen, dort wo es unangenehm ist und wehtut, und zwar in einer nicht wertenden, selbst-wertschätzenden Weise, ermöglicht es, diesen Zwiespalt zwischen Ist und Soll aufzulösen und eine positive Veränderungsdynamik für sich zu starten. Sich selbst aushalten und annehmen, auch wenn man noch nicht dort ist, wo man hin will, ist das Geheimnis der Veränderung. Dieser Gedanke wurde als Paradox der Veränderung (Fritz Perls, Arnold Geisser) bezeichnet und findet sich in ihren Grundideen in östlichen Philosophien wieder.

 

Eigene Veränderungskompetenz aufzubauen, heisst also nicht nur sich einen Fahrplan für die Veränderung zurecht zu legen, sondern insbesondere auch mit seinen inneren Bewertungen und seiner Selbstsabotage umgehen zu lernen. Es geht darum, sich selbst gegenüber eine wertschätzende Haltung gerade auch in der Veränderung zu entwickeln. Das zahlt sich im doppelten Sinne aus: Man profitiert davon als Person als auch im Hinblick auf seine berufliche Effektivität.

 

Erweiterung des Verhaltensrepertoires: Flexibler Umgang mit seinen Stärken

 

Wie geht man nun mit den Stärken um, die sich auch mal von ihrer negativen Seite zeigen? Ein hart arbeitender Manager-Typ beispielsweise, der hohe Standards an sich legt, kann etwa unter Stress überkontrollierend und rigide ins Mikromanagement verfallen und damit längerfristig unerwünschte Effekte erzielen.

 

Optimale Führungsleistungen sind dauerhaft nicht in den Extremen zu suchen, sondern in der situativ angepassten Verwendung seiner eigenen Persönlichkeits- und Führungscharakteristika. Dazu muss man sein eigenes Verhaltensrepertoire erweitern und dort eine Verschiebung vornehmen, wo eine Stärke öfters auf ihren Gegenpol zu kippen droht. Es geht also nicht darum, von heute auf morgen von sich ein komplett neues Führungsverhalten zu verlangen, sondern sein Führungsrepertoire zu erweitern und zu lernen es situativ angemessen zu steuern. Das ist möglich.

 

Für Führungskräfte, die sich vorgenommen haben, die eine oder andere Veränderung in ihrem Führungsverhalten vorzunehmen, gibt es 3 Tipps:

 

  • Reaktionsaufschub: Um negative Verhaltensweisen zu verhindern, kann man sich angewöhnen Reaktionen erst einmal etwas aufzuschieben und nicht sofort auf alles zu reagieren. Durchatmen, still sein, eine Pause im Meeting machen, etc…- all das sind Möglichkeiten des Reaktionsaufschubs. Damit erhöht man die Wahrscheinlichkeit, dass man danach zum adäquateren Verhalten greift und nicht im reaktiven Modus auf eingefahrene alte Reaktionsmuster zurückfällt.

 

  • Mit dem Repertoire experimentieren: Mit dem neuen, gewünschten Verhalten experimentieren und bewusst reflektieren. Wie hat man sich damit gefühlt? War es situativ stimmig? Welche Auswirkungen hatte es? Es ist hilfreich, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass es darum geht, sein eigenes Repertoire zu erweitern und das Führungsverhalten situativ besser anzupassen.

 

  • Weitermachen: Es wird Situationen geben, wo noch alte Reaktionsmuster zum Vorschein kommen, die situativ nicht optimal sind. Dann ist es wichtig solche Episoden als Lernerfahrungen zu verstehen. Dann ist es einem einfach noch nicht gelungen aus seinem Verhaltensrepertoire das stimmige Verhalten anzuwenden. Wichtig ist: Weitermachen!

 

 

MMag. Caroline Cerar
Psychologische Beraterin für Führungskräfte &
Managing Director – Management
Counterparts

 

www.executive-counseling.com

 

 

Link zum Artikel als pdf

 

 

Quellennachweis:

Hogan, R. & Hogan, J. (1997): Hogan development survey manual. Tulsa, OK: Hogan Assessment Systems

Hogan, R. & Hogan, J. (2001): Assessing Leadership: A view from the dark side. International Journal of Selection and Assessment, 9, 40-51

Leslie, J.B., & Van Velsor, E. (1996): A look at derailment today. Greensboro, NC: Centre for Creative Leadership

 

 

 

 

 

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